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Micha Plüss an seinem Lieblingsort in der Nähe seiner Wohngemeinde: am Limmatspitz, wo die Limmat mit der Reuss und der Aare zusammenfliesst. Dort gedeihen verschiedenste Weidenarten mit teils imposanten Durchmessern und Wuchsformen.Fotos: Sarah Sidler

Zeitschriften | Verband & PolitikLesezeit 2 min.

Förster, Natur- und Umweltfachmann, Waldpädagoge, Musiker ...

Nicht immer wurden Forstmitarbeitende händeringend gesucht. Als Micha Plüss vor rund 30 Jahren die Försterschule verliess, fanden die wenigstens seiner Klasse eine Stelle als Revierförster. Er gehörte nicht zu ihnen, arbeitete aber trotzdem meist für den oder im Wald.

Sarah Sidler | Was heute kaum vorstellbar ist, war 1994 die harte Realität: «Die allermeisten von uns Lehrabgängern der Försterschule in Lyss fanden keine Stelle als Betriebsleiter», berichtet Micha Plüss. Es war die Zeit der Revierzusammenlegungen. Rund die Hälfte aller Betriebe im Kanton Aargau sind seither verschwunden. Wie seinen Kollegen blieb auch dem heute 56-Jährigen nichts anderes übrig, als sich eine andere Stelle zu suchen. So wurden motivierte Revierförster zu Polizisten, Journalisten, Verkäufern oder wanderten aus. Micha Plüss verkaufte während einer Saison Forstwerkzeug. «Ich wollte immer irgendwann in die Entwicklungshilfe. Doch daraus wurde nichts.» Die Koffer für das Internationale Rote Kreuz (IKRK) in Ruanda waren schon fast gepackt, da eskalierte dort der Krieg.

So nahm Micha Plüss stattdessen für zwei Saisons eine Stelle im süddeutschen Raum an, um dort im Wald als Vorarbeiter arbeiten zu können. Zwischendurch waren Gelegenheitsjobs angesagt. 1998 fand der gelernte Förster Arbeit bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Dort nahm er für die Langfristige Waldökosystem-Forschung (LWF) Bodenproben und machte Laboranalysen. Zudem betreute der Aargauer die 16 Dauerbeobachtungsstationen der Schweiz technisch und wartete sie. «Ich war viel draussen und in der ganzen Schweiz unterwegs», erinnert er sich. Dann,  sechs Jahre nach der Försterschule, fand er die erste Stelle im Forst, in Liestal (BS). Der Drang nach einer längeren Weltreise nahm jedoch überhand. Micha Plüss war bereits auf dem Weg nach Tasmanien (AUS), da eröffnete sich erneut die Möglichkeit für das WSL, für das Landesforstinventar LFI 3, zu arbeiten. Und aus angefragten 3 Saisons wurden 16. «Irgendwie befriedigte diese Arbeit mein Entdecker-Gen. Ich konnte neue Landschaften entdecken und war viel unterwegs», sagt Micha Plüss rückblickend. Die Arbeit zwischen März und November war sehr intensiv. Dazwischen jedoch blieb Zeit zum Reisen. So bereiste er während dieser Zeit unzählige Länder in Ozeanien und Südostasien. In Südamerika kam er 2009 mit seiner heutigen Partnerin aus der Schweiz zusammen.

Auf die Freude folgte die Ernüchterung

«Während dieser Reisezeit wurde mir klar, dass der Wald kein Ökosystem für sich allein ist, sondern dass alles zusammenhängt.» So absolvierte der Aargauer von 2007 bis 2009 beim Ausbildungsinstitut SANU die berufsbegleitende Ausbildung zum Natur- und Umweltfachmann. «Diese Zeit war intensiv. Wir behandelten verschiedenste Themen vom Gewässerschutz über die Raum- und Siedlungsplanung bis hin zur Umweltpolitik.» Zudem war Micha Plüss während dieser Zeit als Bauleiter in einem Geothermie-Unternehmen tätig. Seit 2008 macht er Forstliche Regional- sowie Kantonalinventuren und Betriebspläne für verschiedene Forstbetriebe. «Um dies abzurechnen, gründete ich meine Firma doit4nature.ch.»

2015 kam seine erste Tochter zur Welt, 2017 die zweite, und die Familie wurde in Untersiggenthal (AG) sesshaft. Als eine Revierförsterstelle in Micha Plüss Lehrbetrieb in Birr/Lupfig (AG) frei wurde, nutzte er die Gelegenheit. «Ich wollte immer irgendwann für einen Wald verantwortlich sein, um dort nach meinem Gutdünken zu arbeiten. Während meiner Tätigkeit im LFI betrieb ich oft im Geiste Waldbau, doch der Praxisbezug fehlte.» Zudem erhielt Micha Plüss die Gelegenheit, bei der Umwandlung des kleinen, traditionellen Forstbetriebs in eine interkommunale Anstalt mitzuwirken. Doch auf die anfängliche Freude endlich den vermeintlichen Traumjob gefunden zu haben, folgte die Ernüchterung: «Vieles lief schief. Der Holzmarkt war am Boden, ein Mitarbeiter hatte einen tragischen Selbstunfall, die Covid19-Pandemie brach aus, und ich erhielt eine Krebsdiagnose.» Erwartungs- und Gelddruck seien enorm geworden. «Es stimmte auf verschiedenen Ebenen nicht mehr für mich.» Micha Plüss realisierte, dass sein lang angestrebter und gelernter Beruf Revierförster nichts für ihn ist. «Ich fühlte mich eingesperrt, nachdem ich so viele Jahre in der Welt unterwegs war.» So verliess er das Unternehmen nach vier Jahren. Auch, um vollständig zu genesen. «Wichtig ist, dass man achtsam mit sich selbst ist. Jobs gibt es viele. Leben hat man nur eines.»

Micha Plüss merkte in dieser Zeit, dass es ihm viel mehr Befriedigung gibt, Geschichten über die Natur zu erzählen, seine Faszination für Natur und Umwelt sowie sein tiefgründiges Fachwissen weiterzugeben, als für Waldbesitzer Bäume zu fällen, um deren Forstkassen zu füllen. Darum begann er 2024 den CAS-Lehrgang für Naturbezogene Umweltbildung an der ZHAW. «Diese Ausbildung geisterte mir schon lange im Kopf herum. Ich wollte mein Wissen teilen und mich nicht mehr verbiegen.»  

Unterschiedlichste Puzzleteile 

Nun setzt sich das Berufsleben des selbstständig erwerbenden Försters aus verschiedenen Teilen zusammen. «Über mangelnde Arbeit kann ich mich nicht beklagen, obwohl ich erst seit Ende des letzten Jahres 100 Prozent selbstständig bin», freut sich Micha Plüss. Da wären verschiedene Mandate sowie Assistenzstellen, wo er Förster auf Projektebene unterstützt und beispielsweise Betriebspläne überarbeitet, Naturschutzprojekte betreut oder auf kantonaler Ebene Waldinventuren durchführt. Er arbeitet als Exkursionsleiter bei verschieden Institutionen. In einem 10-Prozent-Pensum unterrichtet er an der Schule seines Wohnortes Umweltbildung. «Immer montags gehe ich mit den Primarschülern in den Wald. Das macht mir Spass.» Zudem ist er ungefähr zweimal monatlich als Leadsänger und Gitarrist mit seiner Band unterwegs.

«Das Bedürfnis nach Umweltbildung, Unterrichten im Freien sowie Naturerlebnissen ist gross. Deshalb biete ich in diesem Bereich zielgerichtete Projekte an.» Auf seiner Website doit4nature.ch bietet er neben Forstlichem auch Waldschule, Waldführungen und mentale Waldreise an. Micha Plüss weiss noch nicht, wohin ihn der «Silviva-Weg» führen wird. Doch am liebsten möcht er einst 70 Prozent für den Forst und 30 Prozent in der Umweltbildung arbeiten. «Ich will mein breites Wissen teilen, in der und für die Natur arbeiten. Wir sind Teil der Erde. Nur haben dies leider viele vergessen.» 

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